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PRESSE


  Ein Interview über M. Theodorakis "ANTIGONE" (in Englisch)


Ein Interview für das "Treffpunkt" der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz


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"Wir haben Mozart verpasst"

Der Tenor Zachos Terzakis, Oberspielleiter des Koblenzer Theaters, über griechische Musik, sein Verhältnis zur Türkei und das Leben in Deutschland.

Herr Terzakis, es besteht kein Zweifel: die abendländische Kultur wäre unvorstellbar ohne ihre hellenischen Wurzeln. Altgriechische Philosophen, Dichter, griechische Mythen prägten die europäische Geistes- und Naturwissenschaft über Jahrhunderte, philosophische Schulen des antiken Griechenlands waren Begründer des wissenschaftlichen Denkens der Neuzeit schlechthin. Über griechische Musik wissen wir allerdings sehr wenig, abgesehen vielleicht von Maria Callas, vielleicht Mikis Theodorakis, Sirtaki, oder einigen bekannten Namen von Sängerinnen und Sänger der Unterhaltungsbranche.

          Nun, beim Stichwort „griechische Musik“ muss ich sehr weit ausholen, zurückgehen in unsere Prähistorie-Mythologie. Der antike Begriff "griechische Musik" (gr. musiké) entspricht nämlich nicht dem abendländischen Musikbegriff. In der Antike umfasste er nicht nur die Tonkunst, sondern beinahe alle Arten der künstlerischen Darstellung, also auch die Rezitation und den Tanz. "Musiké" erfasste den ganzen Menschen in seiner ethischen Entwicklung. Erst später beginnt sich "Musiké" dem abendländischen Begriff "Tonkunst" anzugleichen.


          Die Mütter der griechischen Musik sind die Musen. Sie bewohnten den Berg Helikσn, einen normalen Berg, weder schön noch hässlich. Interessant ist aber das Wort "Helikσn" selbst. Es kommt von "Hélix", was soviel wie "spiralig Gewundenes" bedeutet. Die Musen führen uns also mit einer Hélix, einer Spirale, man könnte auch sagen mittels einer Wendeltreppe nach oben. Und dies stellt sozusagen die Entwicklung des Menschen überhaupt dar. Es ist ein Prozess, aber auch ein Ritual, ja, eine Religion, tief esoterisch. Auf diesem Weg wird der Mensch von einer Muse zu anderen gereicht, er wird somit in die Welt der inneren Einweihung, Bewusstwerdung und Entwicklung durch Kunst und Wissenschaft stufenweise initiiert.


          Darüber wurde Unzähliges geschrieben, es könnte ganze Bibliotheken füllen. Es ist also unmöglich, in einem Interview auf die Geschichte der griechischen Musik und ihren Einfluss auf die Musikentwicklung in Europa angemessen einzugehen.

Diese Epoche fundamentaler Einflüsse konnte nicht mehr wiederholt werden. Blieb die griechische Musik im Schatten anderer europäischen Entwicklungen?

          Im großem und ganzem ja. Es gab wie bekannt in Europa erst eine Zeit der Wiederbelebung der antiken Tragödie, insbesondere im Bereich der Oper. Die Mittel dieser Musik sind aber im Vergleich zum antiken Ursprung leider sehr arm geblieben. Wir haben z.B. heute nur noch zwei Grund-Tonarten - die Dur­ und die Molltonart, abgesehen von Ausflügen in "verrückte" Tonleiter. Das ist es dann aber auch. In der antiken Musik dagegen gab es eine Vielzahl von Tonordnungen, welche die Musikwerke ungemein bereichert haben. Leider bleibt uns die Wiederherstellung dieser Klangwerke, auch weil nicht notiert, verschlossen. Überbleibsel davon finden wir noch in der Volksmusik, in griechischen wie auch in Klangwerken der türkischen, persischen oder arabischen Musik Ihre Ausgangspunkt ist allerdings im Mittelmeer-Raum zu suchen. Übrigens lässt sich diese Musik wegen ihrer unterhalb eines Halbtons liegenden Intervalle auf Tasteninstrument nicht spielen. Dies stelle ich immer wieder fest, wenn ich, beispielsweise nach einem längerem Aufenthalt auf Kreta, zu Hause versuche, die dort gehörten Melodien auf dem Klavier wiederzugeben. Mir fehlen dann einfach die zusätzlichen Tasten.


          Es gab in Griechenland im 19. Jahrhundert eine gute Zeit der Oper mit der Wiederentdeckung der antiken Themen; die dort eingeflossenen musikalischen Inhalte waren allerdings italienischen Ursprungs. In der griechischen Musik der Neuzeit macht sich leider sehr deutlich die über 400-jährige Herrschaft der Osmanen bemerkbar. Dadurch haben wir die wichtigsten Entwicklungen der europäischen Musik mit ihren Exponenten Mozart oder Beethoven verpasst.


          Übrigens gab es in der Zeit unserer Befreiungskriege ein paar hervorragende griechische Komponisten, die ins Ausland gegangen sind und dort sehr gute Werke, insbesondere Lieder, geschrieben haben. Leider haben sie dies nicht unter ihrem Namen tun können, denn sie haben gleichsam im Auftrag einiger europäischer Fürsten und Herzöge komponiert, die dafür das für die Fortführung des Befreiungskampes nötige Geld zur Verfügung stellten. Einer hervorragender Komponist aus diese Zeit war Nikolopoulos in Paris, mit beachtlichen Werken.
Leider bis heute bleibt unentdeckt. Oder Spyros Samaras, der erste „Verist“ in der Welt der Oper. Die bekannte Arie „ridi Pagliacco“ ("lache Pagliacco") aus der gleichnamigen Oper von Leoncavallo ist eine „geliehene“ Melodie aus der Introduktion von Samaras Oper „Mezzè“.

Wie sieht derzeit die Szene der klassischen Musik in Griechenland aus?

          Ich würde sagen - eher unspektakulär. Wir sehen uns im Fluss der allgemeinen europäischen Musikentwicklung mit all ihren Begleiterscheinungen. In einigem sind wir hinterher, vieles ahmen wir nach. Interessant sind die Experimente, die Theodorakis unternimmt, beispielsweise mit seiner „Medea“, die ich hier in Deutschland inszeniert habe, und „Elektra“ oder „Antigone“. Für April bereiten wir die „Lysistrate“ vor. Es sind interessante Experimente, weil diese Werke nicht unbedingt die überlieferte und bekannte Struktur einer Oper aufweisen, und viele Opernfanatiker stehen dem sehr skeptisch gegenüber und behaupten, dies seien überhaupt keine Opernwerke.


          Ein anderes interessantes Experiment stammt von Jannis Markopoulos. Er vertonte einige antike orphische Texte und machte daraus die „Orpheus-Liturgie“, die mit großem Erfolg in Europa, u.a. in Wien, Paris, Brüssel aufgeführt wurde. Die Botschaft dieses Werkes ist ein aus der Urantike stammender ökologischer Gedanke, der das Leben des Menschen in einem engen Zusammenhang der unzerstörten Umwelt begreift.

In Deutschland leben mehr als 360. 000 Griechinnen und Griechen, in Rheinland-Pfalz rund 8.000, ein erheblicher Teil bereits in der dritten Generation. Die überwiegende Mehrheit von ihnen ist als Arbeitsmigrantinnen und migranten hierher gekommen. Auch Sie leben - mit kleineren Unterbrechungen - seit gut 20 Jahren in Deutschland. Was teilen Sie mit Ihren Landsleuten? Sehen Sie sich als Migrant?

Ich glaube, dass diese Frage für mich eher theoretischen Charakter hat. Sehen Sie, wir leben heute in einer Welt, die zunehmend zu einer Nachbarschaft wird. Sicher, es gibt sprachliche und kulturelle Unterschiede, sogar hier in Deutschland, insbesondere nach der Vereinigung, werden die Unterschiede deutlich. Zwischen Nord und Süddeutschland gibt es sogar noch stärkere Kontraste als zwischen West und Ost. Das stelle ich immer wieder fest, wenn ich unterwegs bin, und ich reise nicht wenig. Die Bayern bezeichnen ja bekanntlich alle, die nördlich der Donau leben, als Ausländer.

Fühlen Sie sich dann schon als Bayer?

          Na ja, ich lebe in Franken, und Franke kann man nicht werden, als Franke muss man geboren sein. Aber es ist schon komisch, wenn ich meine vier Kinder fränkisch reden höre.


          Doch zurück zu den Griechen. Ich glaube, dass wir sehr anpassungsfähig sind. Das liegt wohl weniger an unseren Genen als an unserer Geschichte und der gesamten kulturellen Entwicklung. Die Kontaktfreudigkeit, das Fehlen von Berührungsängsten, die Kommunikationsfreude - all das sind Eigenschatten, die uns helfen, auch in der Fremde nicht zu vereinsamen, trotz Sprachbarrieren, kultureller und religiöser Unterschiede. Schließlich gibt es nicht umsonst in unserer Mythologie-Prähistorie „Xenios Zeus“ den Gott der Gastfreundschaft.

Ist es das, was den Griechinnen und Griechen hilft, sich besonders gut zu integrieren?

          Ich glaube, die Frage der Integration sollte bitte doch jeder für sich beantworten. Denn das ist ein Problem, das seine Wurzeln in der jeweiligen Herkunftsgeschichte, in den kulturellen oder religiösen oder auch sozialen Hintergründen hat. So kann man einen strenggläubigen Moslem nicht zwingen, dass er sich bedingungslos an die Verhältnisse eines Aufnahmelandes anpasst. Und er wird auch dafür gute Gründe haben. Er könnte, so glaube ich, auch antworten. "Warum sollen meine Kinder so werden, wie die deutschen Kinder sind? Wir haben andere Werte". Dies sollte man respektieren.

Und wie fühlen Sie sich hier?

          Gut. Allerdings ist mein Fall vielleicht ein etwas untypischer. Ich fühle mich nicht als Einwanderer. Auch deshalb, weil es heutzutage - und das ist nicht nur meine Auffassung - weniger um Ein- bzw. Auswanderung geht. Wir pendeln vielmehr. Dieses Pendeln zwischen dem Herkunft- und Zielland lässt den Begriff „Heimat" mehrdimensional erscheinen, und die grenzenüberschreitende Mediennutzung verstärke dieses Phänomen noch zusätzlich. In Deutschland fühle ich mich gut. Ich habe die Sprache gelernt, hier lebt meine Familie. Deutschland sehe ich durch eine ganz normale Brille, mit Vor- und Nachteilen. Womit ich unzufrieden bin, ist die Bildungssituation an den Schulen. Die könnte etwas strenger und konsequenter sein. Ich kann es gut an meinen Kindern und durch den Vergleich mit Griechenland sehen. Was mich darüber hinaus beunruhigt - wohlgemerkt, nicht nur hier in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, auch in Griechenland - ist die zunehmende Bildungspolarisierung. Es gibt immer mehr Menschen, die ungebildet sind, was insbesondere die Allgemeinbildung angeht. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die bemüht sind, das apollonische Feuer vor sich zu tragen. Die Kluft zwischen diesen beiden Gruppen wird immer größer, wobei die erstgenannte zahlenmäßig zunimmt. Meine Aufgabe - und die Aufgabe meiner Künstlerkolleginnen und -kollegen sehe ich darin, in Fragen der Allgemeinbildung zu „missionieren“. Die Kunst ist das Salz, man kann natürlich nicht nur Salz essen, aber „ohne Salz schmeckt keine Suppe“...!

          Aber noch zu dem "Sich-gut-fühlen"; In meinem speziellen Fall ist es noch die Musik, die es mir erlaubt, dass ich mich überall zu Hause fühle.

Auch in der Türkei?

          In der Türkei umso mehr. Ich betrachte die Türken quasi als meine Geschwister. Und ich fühle mich den Türken kulturell stärker verbunden als mit den Deutschen. Wir sollten die Beziehungen zwischen den Türken und den Griechen endlich losgelöst von den Animositäten oder Konflikten sehen. Besonders wichtig ist das für das Zusammenleben dieser zwei Nationalitätengruppen hier in Deutschland. Sie können nämlich gerade hier, fern ihrer Heimatländer, vieles gemeinsam tun.


          Ich selbst habe vor einigen Jahren in Kassel mit einem türkischen Bariton eine bis heute anhaltende, tiefe Freundschaft geschlossen. Als wir uns kennen lernten, entbrannte zwischen der Türkei und Griechenland wieder mal ein Konflikt um eine kleine unbewohnte Insel im ägäischen Meer. Nach der Sommerpause traf ich meinen türkischen Freund, ich nannte ihn „Kardaş“, was auf Türkisch „Bruder“ heißt, in der Kantine. Wir sind aufeinander mit ausgebreiteten Armen zugegangen, und alle Anwesenden meinten „Jetzt gibt es eine Schlägerei zwischen dem Griechen und Türken“, wegen der Insel. Wir aber wollten uns nur durch eine herzliche Umarmung begrüßen.


          Danach sagte ich zu Kardaş: „Lass uns gemeinsam auf diese Insel gehen und dort ein musikalisches Festspiel machen“. Das klappte dann leider nicht, aus anderen Gründen, doch Kardaş hat fast geheult, ich übrigens auch. Ich bin froh, dass dieser Mann heute Intendant der Istanbuler Oper ist.

Herr Terzakis, Sie sind erst vor kurzem in Koblenz zum Oberspielleiter Oper ernannt worden. Ihre künstlerische Arbeit in Deutschland auch in Koblenz, begann aber nicht erst gestern. Ich denke hier insbesondere an die Inszenierung der deutschen Uraufführung der „Medea“ von Theodorakis in Meiningen, aber auch an Ihre Cavaradossi-Rolle in Puccinis „Tosca " bei den Koblenzer Festungsspielen. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

          Ich habe in meinem Leben einiges erreicht, ich bin auf sehr vielen Bühnen aufgetreten, mein Repertoire umfasst rund 70 Opernwerke, die ich in sechs Sprachen singe. Singen ist schön und interessant, aber in dem Singen, oder einfacher, in einem Ton ist die Philosophie des Lebens verborgen: man wird geboren, man lebt und man stirbt, genau wie ein Lied oder ein Ton. Danach gibt es nur die Erinnerung an den Ton, das Lied, bzw. die Erinnerung an einen Leben. Sie erwähnten das Beispiel „Tosca“. Die Koblenzer „Tosca“ war schön, aber sie gibt es nicht mehr. Man lebt von Erinnerungen. „Es war eine schöne Vorstellung, eine gute Produktion“, sagt man, und das war's.


          Nein, ich möchte in den Jahren, die mir noch geblieben sind, etwas machen, was mehr ist als nur Erinnerung. Ich träume davon, zurück auf die ägäischen Inseln zu gehen. Weniger im geographischen als in kulturellem und künstlerischem Sinne. Ich möchte den Geist der Zwischenmenschlichkeit, den Geist der Freundschaft neu beleben. Dazu eignen sich Opern, dazu eignet sich auch das antike Erbgut, doch der Stoff ist dabei zweitrangig. Wichtiger ist, dass etwas zusammen gemacht wird, mit Menschen unterschiedlicher Auffassungen, Herkunft, Religion oder Kultur. Die Stätte dieser gemeinsamen schöpferischen Arbeit sollte dort angesiedelt sein, woher der Ursprung europäischer Kultur kommt. Und das ist der ägäische Kulturraum, vom griechischen Festland bis zu dem Kleinasien und ägypten.

Ihr weltberühmter Landsmann, Jannis Xenakis, erreichte Weltruhm zwar als Komponist, doch erfolgreich war er auch in einem anderen Beruf. Die Beschäftigung mit Architektur war für Xenakis eine wichtige Ergänzung, ja Inspiration seines kompositorischen Schaffens. Können Sie das aus Ihrer Sicht bestätigen? Denn auch Ihr ursprünglicher Beruf war ein anderer.

          Ich war und bin ein unruhiger Geist. Ich habe zwar Geologie studiert, gleichzeitig habe ich mich mit Theologie befasst, denn ich wollte auch mal Missionar werden. Nach dem Geologiestudium habe ich dann angefangen, Medizin zu studieren, obwohl ich schon als Opernsänger mein Engagement hatte. Dazu kamen meine großen Hobbys­ - Philosophie und Speläologie, die Höhlenforschung. Sie sehen, alles Dinge, die nicht unmittelbar zueinander passen. Manchmal setze ich mich hin und überlege: „Was hast du nun davon?“

Faust lässt grüßen.

          Ja, vielleicht... Ich hätte auch ausschließlich Musik studieren können, um nur Dirigent oder Sänger zu werden. Ich bin aber zu dem Schluss gekommen, dass meine viele Studien sehr sehr viel gebracht haben. Dass ich heute dadurch die Welt besser verstehen, den Menschen begreifen und die Kunst unmittelbarer erleben kann. Ich stehe heute dank dieser vielschichtigen Interessen nicht als irgendein Fachidiot herum und kann sagen: „das Leben ist nicht nur Medizin, nicht nur Geologie, Musik oder Theologie oder was weiß ich noch“.


          Am deutlichsten spüre ich das, wenn ich singe. Es wird mir dann immer wieder klar, dass es nicht nur die Stimme, nicht die Gesangstechnik, nicht die Art der Darstellung, nicht nur das Bühnenspiel ist, die die Kunst ausmachen. Alles verschmilzt zu einer Art Mysterium. Ich habe es einmal „die Alchemie des Singens“ genannt. Es gibt ja bekanntlich wunderschöne Stimmen, die lassen uns kalt, da steckt nichts dahinter. Und es gibt hässliche, ja schreckliche, die uns begeistern, die Gänsehaut hervorrufen. Diese Erkenntnis möchte ich auch immer, wo sich Gelegenheit bietet, weitergeben.

Interview: Dr. Stefan Zakrzewski

Aus der NÜRNBERGER NACHRICHTEN     Samstag/Sonntag, 2./3. September 1995

Ein Haus in Falkendorf wird zur Opernbühne:
Zu Besuch beim Star-Tenor Zachos Terzakis

Zwischen Bohème und Beatles

Missionar war sein Traumberuf
Fünf Jahre Engagement in Nürnberg - Gastspiel in ganz Europa



     FALKENDORF - Eigentlich wollte Zachos Terzakis Missionar werden, doch dann vertauschte er die Kanzel mit der Bühne und wurde ein gefeierter Operntenor. Zum Nachdenken will der gebürtige Grieche, der von seiner Wahlheimat Falkendorf aus an alle bekannten Häuser Europas reist, die Menschen durch seine Musik allerdings immer noch bringen: Zum Beispiel über die Kultur des alten Kontinents, die langsam dem Konsum geopfert wird.

     Zachos Terzakis beherrscht 50 Opernrollen in sechs Sprachen, spielt zehn Instrumente und ist auf allen Bühen Europas zu Gast. Die würdige Erhabenheit, die das klassische Musiktheater so gerne ausstrahlt, ist dem fidelen Griechen dennoch zuwider. "Oper ist wunderschön, aber ein Museum", so das Urteil über seinen "Arbeitgeber". Quirlig und immer in Bewegung erzählt er lachend von einem Engagement, bei dem er einen leicht alkoholisierten Bildhauer spielte, der aus einem Steinblock die "schöne Galatea" meißelt und am Schluß doch lieber wieder mit einem Freund Skat spielt, weil ihm die "Traumfrau" auf die Nerven geht.

Faust als Breakdancer

     Klassisches Musiktheater, neu verpackt - eine Mischung die Terzakis liebt und für die er sich begeistern kann. Ist der 45jährige Grieche mit den schwarzen Strubbelhaaren erst mal ins Erzählen gekommen, verwandelt sieh das Wohnzimmer in seinem Haus in Falkendorf schnell in die großen Bühnen dieser Welt. Im ersten Augenblick nimt der vierfache Vater zur Freude von Sohn Max den Doktor Faust, der als Breakdancer durch die Gegend rockt, im nächsten Moment hat er sich die imaginäre Gitarre von John Lennon um den Hals geschnallt und trällert einige Takte aus einem Beatles-Song. Dann ist er wieder der ernsthafte Operntenor, der eine Passage des Rodolfo aus "Bohθme" auf seinem großen schwarzen Flügel intoniert. Terzakis ist ein Wanderer zwischen den Welten - nicht nur den musikalischen.

     Der gebürtige Athener wollte eigentlieh nie Opernsänger werden und das es ihn einmal in das beschauliche Falkendorf verschlagen würde, hätte er sich wahrscheinlich auch nicht träumen lassen. Schmunzelnd erzählt er davon, wie er "entdeckt" wurde: Auf einer feuchtfröhlichen Party an der Universität in Athen, an der er Geologie und Theologie studierte, setzte der junge Terzakis spätnachts ans Klavier, meinte nur "jetzt wird's ernst" und sang Händels Messias. Ein Freund überedete ihn daraufhin an das Musik-konservatorium zu gehen, das er mit dem Maria-Callas-Stipendium abschloß. So richtig ernst nahm er seine musikalische Begabung allerdings immer noch nicht. Viel mehr interessierte ihn zu dieser Zeit noch die Medizin, die er als drittes Fach neben seinem Engagement an der Oper in Athen sechs Semester studierte.

     Die Suche nach einem Doktorvater für seine Promotionsarbeit in Geologie verschlug ihn dann nach Deutschland. Einen Professor, der sich für sein Thema interessiert hätte, fand er nicht, dafür den Intendanten der Oper Bielefeld, der ihn von 1979 bis 1982 engagierte. Die folgenden fünf Jafre verbrachte er in Nürnberg und quartierte sich in Falkendorf ein. Dort in einem grßen Bungalow, ist er hängengeblieben, auch nachdem seine Zeit in Nürnberg beendet war. Heute reist der Tenor, der bereits sechs CD's eingespielt hat die meiste Zeit des Jahres durch Skandinavien, die Benelux-Staaten, Italien und Griechenland, wo er Gastspiele gibt.

Ehrliche Franken

     Mit der zurückhaltenden Art der Franken hat er sich mittlerweile arrangiert: "Die Menschen hier sind zwar eigenwillig, aber ehrlich und zuverlässig". Das "grße und offfene Herz" der Griechen vermißt er dennoch manchmal. Und dann erinnert er sich an seinen ersten Besuch als kleiner Junge mit seiner Mutter auf Kreta. Mitten in der Nacht kam die Familie im kleinen Heimatdorf seines Vaters an und wurde von wildfremden Menschen aufgenommen und bewirtet.

Nachdenken über Europa - Suche nach neuen Herausforderungen

     Ein Stückchen europäischer Kultur, die Terzakis immer mehr vermißt: "Ich will die Leute durch meine Musik zum Nachdenken bringen, was durch Konsum alles verlorengeht."
     Begeistert ist er von der Stille und Verlassenheit seiner Wahlheimat: "Die öffentlichkeit, in der man als Opernsänger steht, macht einen zum Sklaven. Deshalb liebe ich mein Falkendorf." Immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen baut er schon mal das Dach seines Hauses aus oder errichtet einen Kamin im Garten. "Wenn ich eine Mauer ziehe, dann hat das Bestand. In der Oper ist das anders: Ich singe einen Ton, der unwiederbringlich vergeht. Danach gibt es nur noch die Erinnerung."


Zachos Terzakis liebt Herausforderungen und Abwechslung, in der Oper wie daheim,
wo er gerade einen Grill mauert. (Foto: Garlt)

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